Die gestiegenen Lebenshaltungskosten machen auch vor dem Rohlík nicht Halt. Foto: Steffen Neumann

Die Lebenshaltungskosten in Tschechien steigen und steigen. Nun überschritt auch das Nationalgebäck Rohlík die unantastbare 2-Kronen-Grenze.

Das Jahr 2022 werde das schwerste in der Tschechischen Republik seit ihrer Gründung, kündigte Ministerpräsident Petr Fiala (ODS) in seiner ersten Neujahrsansprache an. Die Ausgangslage könnte dieser Prognose Recht geben, die tschechische Bevölkerung kämpft schon jetzt mit gestiegenen Lebenshaltungskosten. Durch die Inflation wird das Leben in der Republik immer teurer.

Atomkraft soll Preisanstieg stoppen

Vor allem der Anstieg der Energiepreise macht nicht nur den Bürgern, sondern auch der Industrie zu schaffen und damit indirekt wieder den privaten Haushalten. Drei Energieversorger mussten den Betrieb einstellen. Strom wurde bis zum Oktober um 20 Prozent teurer, der Preis für Erdgas stieg um zehn Prozent. Auch für das kommende Jahr sollen die Preise nicht sinken, Experten fürchten sogar einen weiteren Anstieg. Steigende Preise für Emissionsberechtigungen sowie Kohle- und Gaspreise beeinflussten die Entwicklungen im vergangenen Jahr, ebenso wie die allgemeine Erholung der tschechischen Industrie und Wirtschaft, welche eine höhere Energienachfrage zur Folge hatte. Mit diesen Faktoren auf dem Energiemarkt ist auch in diesem Jahr zu rechnen.

Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala setzt daher voll auf den Ausbau der Atomkraft. Tschechien ist nach wie vor stark von der Energie aus Kohle abhängig. Um einen Ausstieg aus dieser Form der fossilen Energieträger zu bewerkstelligen, setzte die Republik bisher auf den Ausbau der Atomenergie. Auch der neue Ministerpräsident setzt diese energie- und klimapolitische Linie seines Vorgängers fort. „Der Übergang von fossilen zu sauberen, erneuerbaren Energiequellen muss in Ländern wie unserem von Kernenergie begleitet werden“, so Fiala. Dementsprechend reagierte der tschechische Regierungschef positiv auf den aktuellen Vorstoß der Europäischen Kommission, Atomkraft und Erdgas als grüne Energiequellen einzustufen. Damit könne Tschechien schrittweise zu klimafreundlichen Energiequellen übergehen und gleichzeitig seine energetische Selbstversorgung sichern, heißt es aus der Regierung.

Rohlík überschreitet 2-Kronen-Grenze

Die Inflation zeigt sich aber auch bei Lebensmitteln. So überschritt das tschechische Grundnahrungsmittel „Rohlík“ (deutsch: Hörnchen) eine historische Grenze von 2 Kronen. Auf Grund der Bedeutung des Rohlíks für die lokale Esskultur blieb sein Preis stets unter der 2-Kronen-Grenze (0,08 Euro am 4.1.22). Im letzten Jahr wagte es niemand, das Gebäck für mehr als 2 Kronen zu verkaufen, obwohl die Marge schon damals äußerst gering war. Der Rohlíkpreis wurde genutzt, um Kunden zum Kauf weiterer Waren ins Geschäft zu locken. Diese psychologische Grenze hat das Nationalgebäck nun überschritten, was sogar für eine Schlagzeile bei der Online-Zeitung „Seznam Zprávy“ sorgte.

Beim Rohlík handelt es sich nur um das populärste Beispiel. Backwaren im Allgemeinen wurden zum Jahreswechsel teurer. Im November wurden bereits Preissteigerungen um fünf Prozent für Waren und 7,5 Prozent für Dienstleistungen im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Besonders betroffen waren dabei die Preise für Verpflegung, Tabak, Kleidung und Wohnen. Für den Januar prognostiziert die Sprecherin der Supermarktkette Billa, Dana Bratánková, Steigerungen der Lebensmittelpreise um fünf bis 15 Prozent. Die Inflation bekommen vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen besonders hart zu spüren.

Petr Fiala könnte mit seiner Prognose, dass dieses Jahr für die Bürger Tschechiens besonders hart werde, also Recht behalten. Die Schuld an der aktuellen Lage gab er der Vorgängerregierung um den Oligarchen Andrej Babiš. Der neue Ministerpräsident kündigte an, diese Probleme jetzt anzugehen und auch Tschechiens anstehende EU-Ratspräsidentschaft (ab der zweiten Jahreshälfte) für die Bewältigung der Wirtschafts- und Energiekrise zu nutzen.

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