Tschechiens Premier Petr Fiala zu Beginn der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Foto: Vláda ČR

Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft endete nach sechs Monaten und wurde am 1. Januar 2023 an Schweden übergeben. Kommentatoren ziehen eine positive Bilanz zur Arbeit der Tschechischen Republik in Krisenzeiten, auch der ukrainische Präsident Selenskyj bedankte sich für die Unterstützung.

Mit dem Motto „Europa als Aufgabe“ (Evropa jako úkol) ging die Regierung Petr Fialas (ODS) vor sechs Monaten in die EU-Ratspräsidentschaft. Die Aufgaben, die sich der Europäischen Union stellten, waren groß: Krieg, Inflation, Energiekrise und der Zusammenhalt Europas bestimmten das letzte halbe Jahr. In Brüssel und Tschechien wird eine positive Bilanz von der Arbeit Tschechiens in schwierigen Zeiten gezogen.

Die richtige Präsidentschaft gegen russische Aggression

Die wohl wichtigste Rolle nahm die tschechische Regierung im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg ein. Die historische Erfahrung mit der Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Truppen des Warschauer Paktes rief bei vielen Erinnerungen wach und verstärkte die Solidarität mit der angegriffenen Ukraine. Einen besseren europäischen Partner hätte sich die Ukraine zu dieser Zeit nicht wünschen können. Waffenlieferungen, EU-Beitrittsgespräche, Sanktionen gegen Russland und humanitäre Hilfe wurden von Tschechien immer wieder mit höchster Priorität auf die Tagesordnung gesetzt und europaweit eingefordert. Es verwundert also nicht, dass auch der ukrainische Präsident Selenskyj positiv auf die Arbeit Tschechiens blickt. Auf Twitter bedankte er sich für die Unterstützung einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine, den Erhalt der europäischen Einheit und die Solidarität im Kampf gegen die russische Aggression. „Zusammen werden wir gewinnen“, erklärte der ukrainische Präsident.

Doch nicht nur für die Ukraine, auch für die EU befand sich die tschechische Ratspräsidentschaft im Modus des Krisenmanagements. Energiekrise und Inflation bestimmten hier die gemeinsame Politik der europäischen Regierungen. Trotz der Einwände Deutschlands, an dem auf europäischer Ebene kein Vorbeikommen ist, gelang es, eine gemeinsame Linie in Bezug auf die Preisdeckel auf dem Öl- und Gasmarkt zu finden und zudem einen Solidaritätsmechanismus ins Leben zu rufen. Mit der Gründung der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPC) stärkte Tschechien den europäischen Zusammenhalt über die EU hinaus.

Klimawandel, Erweiterung und Asyl

Andere Aspekte der Präsidentschaft waren hingegen weniger von Erfolg gekrönt. Tschechien hatte die EU-Erweiterung in Südost-Europa, den Ausbau erneuerbarer Energien und eine neue Asylpolitik vor der Ratspräsidentschaft immer wieder zur Priorität erklärt. Im letzten halben Jahr war davon allerdings wenig zu hören. Die Fortschritte für einen gemeinsamen Asyl- und Migrationspakt blieben aus, der Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengenraum scheiterte und die Klimapolitik hinkt den Erfordernissen der Klimakrise hinterher. Letzteres ist auch innenpolitisch ein heißes Eisen, die Opposition in Tschechien kritisierte die Regierung dafür, das Klimapaket nicht abgeschwächt zu haben. Es ist also fraglich, ob eine fortschrittlichere europäische Klimapolitik während der eigenen Ratspräsidentschaft zu Hause Rückhalt gefunden hätte.

Europa kommt in Tschechien an

Innenpolitisch hatte diese Ratspräsidentschaft eine integrative Wirkung. Die Suche nach europäischen Lösungen wurde zum Gegenstand der öffentlichen Debatten, die Zustimmung zur EU wächst. „Den wohl größten Erfolg erzielte Prag daheim: Medien und Bürger befassten sich ernsthaft mit EU-Fragen. Eine willkommene Wende in einem Land, das zuvor zu den Europa-skeptischsten gehörte“, erklärte Milan Nič von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Tagesspiegel.

Der tschechische öffentlich-rechtliche Nachrichtensender ČT24 zieht ebenfalls eine positive Bilanz. Er sammelte in seinem Rückblick auf das letzte halbe Jahr vor allem Lob für die harte und gute Arbeit Tschechiens von Kommentatoren aus Brüssel und Europa. Folgt man dieser Rezeption, so sieht man in Tschechien also einen wertschätzenden Blick der EU auf die Arbeit der eigenen Regierung. Dieser positive Trend müsse nun weiter unterstützt werden. „Es ist wichtig, dass die Stimme der Tschechischen Republik auch nach der Ratspräsidentschaft gehört wird“, fordert ČT24.

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