Derzeit ein guter Ort zum Leben - Tetschen (Děčín), Foto: Steffen Neumann

Seit 1. März ist die Mobilität in Tschechien eingeschränkt. Die Kreisgrenzen dürfen nur noch mit Ausnahmegenehmigung überschritten werden. Die Einhaltung wird von der Polizei massiv kontrolliert. Doch nicht alle in Tschechien trifft die Einschränkung gleich hart.

Glücklich ist zur Zeit, wer in Tetschen (Děčín) lebt. Die Stadt gehört mit über 117 Quadratkilometern in Tschechien zu den flächengrößten Kommunen. Sie reicht von kurz hinter dem Zschirnstein in der Sächsischen Schweiz im Norden bis fast zum Zinkenstein (Buková hora) im Böhmischen Mittelgebirge im Süden.

Dieses sogenannte Kataster, also die Grenzen einer Gemeinde, spielen bei den aktuellen Maßnahmen zur Ausbreitung der Coronapandemie in Tschechien eine wichtige Rolle. Sie sind quasi die 15-Kilometer-Regel Deutschlands. In diesem Gebiet darf man sich allein oder mit der eigenen Familie frei zum Spazierengehen oder Sport treiben bewegen. Wichtig ist auch, wie viel Natur das Stadtgebiet hat. Denn im sogenannten Außenbereich erledigt sich die Pflicht, eine FFP2-Maske zu tragen. Auch in der Hinsicht ist Tetschen derzeit ein guter Ort zum Leben.

Größer als Pilsen

Noch besser sind die Einwohner von Roll (Ralsko) dran. Die Gemeinde östlich von Böhmisch Leipa (Česká Lípa) ist die viertgrößte Tschechiens und hat ganz viel Natur zu bieten. Nur Prag, Brünn und Ostrau sind größer. Einst diente das Gebiet der Sowjetarmee als Truppenübungsplatz, der Anfang der 1990er mit neun Siedlungen zu der Gemeinde Ralsko vereint wurde.

Pech haben die Bewohner des Dörfchens Sawist (Závist) in Mähren, 20 Kilometer nördlich von Brünn. Es ist mit 42 Hektar die kleinste Gemeinde Tschechiens. Von einem Ende des Dorfes bis zum anderen braucht man nur wenige Minuten, im Osten wir das Dorf durch die viel befahrene Fernstraße E461 von Zwittau (Svitava) nach Brünn und weiter Richtung Österreich. Im Ort steht der Glockenturm der Heiligen Dreifaltigkeit aus dem 19. Jahrhundert, ein Sandsteinkreuz und ein runder Brunnen. Das wars. Eingekauft wird woanders.

Ganz zufrieden dürften aber auch die Bewohner von Tetschen nicht sein, denn ausgerechnet der Hohe Schneeberg, der auf Tschechisch den Namen der Stadt trägt (Děčínský Sněžník), befindet sich nicht auf der Gemarkung der Stadt. Es gibt eben noch ausgleichende Gerechtigkeit.

Durchs Wasser getrennt

In manch kleiner Gemeinde lässt es sich aber auch aushalten. Michelsberg (Michalovice) bei Leitmeritz (Litoměřice). Es gibt nur noch sechs Gemeinden, die kleiner sind. Die hiesigen Einwohner werden aber durch die Ortslage entschädigt: umgeben von Weinhängen mit Blick auf die Elbe, das Böhmische Mittelgebirge und Abendsonne.

CTK Glück Dalibor Polizeikontrolle

Die Einhaltung der Maßnahmen werden von einem massiven Polizeiaufgebot kontrolliert. Foto: ČTK/Glück Dalibor

Man kann aber auch in einer großen Gemeinde in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt sein. Das ist der Fall von Oberplan (Horní Planá) in Südböhmen. Die Gemeinde ist zwar größer als Tetschen. Aber ein Teil befindet sich auf der anderen Seite des Lipno-Stausees. Wollen die Einwohner der Ortsteile Vorderglöckelberg (Přední Zvonková) oder Vorderstift (Bližší Lhota) aufs Ortsamt, müssen sie sogar den Kreis verlassen, was sie ja gar nicht dürfen. Denn der direkte Weg wäre mit der Fähre übers Wasser, die aber erst bei wärmeren Temperaturen wieder verkehrt. Bleibt nur der Weg auf der Straße über den Nachbarkreis Prachatitz (Prachatice), für den die Einwohner eine Ausnahmegenehmigung des Innenministeriums erhielten.

Streng bewachte Grenze

Die zweite wichtige Grenze, die derzeit in tschechischen Köpfen haust, ist die Kreisgrenze. Bis dahin darf man nämlich aus wichtigen Gründen wie Arbeit, Arzt- oder dringender Verwandtenbesuch. Aus diesen Gründen darf man den Kreis sogar verlassen, muss das aber belegen. Denn die Kreisgrenzen werden anders als die Gemeindegrenzen bewacht. Zwar wurden die Kreise vor Jahren als Verwaltungseinheit abgeschafft. Aber die Grenzen gibt es noch. Grund genug für die Regierung, sie für die aktuellen Maßnahmen zu entstauben. Auch da geht es den Tetschnern gar nicht so schlecht, hängt doch an ihrem Kreis noch der ganze Schluckenauer Zipfel.

Die mit Abstand größten Kreise befinden sich aber mit Klattau (Klatovy) und Neuhaus (Jindřichův Hradec) in Südböhmen mit jeweils der mehr als doppelten Fläche als Tetschen. Dagegen hat, wer im Kreis Karwin (Karviná), Gablonz (Jablonec nad Nisou) oder Aussig (Ústí nad Labem) wohnt, Pech. Nur drei kreisfreie Städte sind noch kleiner.

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