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Der Sommer ist langsam vorbei, es wird kälter und viele Galerien kehren mit neuen Ausstellungen aus dem Sommerurlaub zurück – zum Glück für mich. Mein Aufenthalt in Prag ist bald vorbei – Pech für mich. Es bleibt wenig Zeit. Eine Galerie, die ich mir hier unbedingt noch anschauen wollte, ist die im Rudolfinum. Ich hatte schon oft gehört und gelesen, wie gut die Galerie sein soll. Nicht ohne Grund wie ich feststellte.

 

 

Aktuell zeigt die Galerie die Ausstellung „Letztes Jahr in Marienbad. Ein Film als Kunstwerk“. Der 1961 größtenteils in Deutschland gedrehte Schwarz-Weiß-Film brach radikal wie kein anderer mit traditionellen Strukturen von Ort, Zeit und Kausalität. Der Regisseur Alain Resnais hob darin die Regeln des linearen Erzählens auf. Das avantgardistische Pionierwerk spielt mit einer künstlerischen Sprache, in der Stil selbst zum Inhalt wird. Die Ausstellung befasst sich mit den Auswirkungen des Filmes und seiner einzigartigen Ästhetik, auf die bildenden Künste. Dabei versammelt sie Werke von führenden Künstlern von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute, wie Cindy Sherman, Gerhard Richter, Alex Katz und Douglas Gordon.

Unter all den Namen berühmter moderner Künstler fällt mir einer auf, den ich dort nicht erwartet hätte: Karl Lagerfeld. Ohne Zweifel ist Lagerfeld eine bedeutende Persönlichkeit: als Modeikone, als Designer ja, aber auch als Künstler? Nun ist bekannt, dass der in Hamburg geborene Designer auch als Fotograf arbeitet. Aber tatsächlich finde ich in der Ausstellung keine Fotografie, sondern eine Videoaufnahme der Modenschau der 2011 Prêt-à-porter Frühling/Sommer-Kollektion von Chanel. Bereits nach kurzer Zeit verstehe ich, warum sie hier präsentiert wird: Die Kollektion ist deutlich inspiriert von den Kostümen, die Coco Chanel damals für die Dame „A“ im Film entworfen hat. Aber es ist mehr als das: Die Kulisse besteht aus einem ornamental angelegten französischen Garten mit einem echten Springbrunnen inmitten des Pariser Grand Palais, der an die geometrische Parkanlage und die Rokokoarchitektur des Luxushotels im Film erinnert.

Was mich daran fasziniert, ist nicht nur die konsequente Umsetzung des Themas, sondern die perfekte aufeinander abgestimmte Inszenierung. Die träumerischen Kulissen, die theatralische Musik vom modernen Komponisten Thomas Roussel und Instrumentalversionen von Björk und The Verve, live von einem ganzen Orchester aufgeführt. Dazu kommt die perfekt darauf abgestimmte Choreografie der Models und nicht zuletzt die viel in schwarz und weiß gehaltenen Entwürfe. Selbst wenn man kein Fan von Mode ist, muss man einsehen, dass dieses Zusammenspiel, diese Präsentation eine eigene Form von Kunst ist. In meinen Augen kann diese Show in ihrer reinen Ästhetik durchaus mit den Exponaten der anderen Künstler mithalten. Zugegeben, nach vergleichbar tiefgründigen Hintergedanken sucht man hier vergeblich. Aber das ist schließlich auch nicht der Hauptanspruch an Mode.

Mein Fazit: Das konservativ aussehende Gebäude täuscht. Die Galerie Rudolfinum fängt souverän den künstlerischen Zeitgeist ein und blickt dabei auch mal über den Tellerrand hinaus. Die Kunstauswahl erinnert an den Martin-Gropius-Bau in Berlin oder das Londoner Tate Modern, nur kleiner und vielleicht weniger experimentell. Ein Besuch hier lohnt sich jedenfalls. Und ich muss mir jetzt überlegen, wann ich das nächste Mal nach Prag komme.

Die Ausstellung „Letztes Jahr in Marienbad. Ein Film als Kunstwerk“ ist noch bis 27. November in der Galerie Rudolfinum Prag (Alšovo nábř. 12) zu sehen. Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen finden Sie auf der Website der Galerie: hier.

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