Die Mittelböhmische Region. Foto: Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Nachdem das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) in der vergangenen Woche Prag zum Risikogebiet erklärte, sprach Deutschland nun auch für Mittelböhmen eine Reisewarnung aus. Die tschechische Regierung reagiert derweil auf die verschlechterte epidemiologische Lage mit der Erweiterung der Maskenpflicht und der Begrenzung von öffentlichen Veranstaltungen.

Bereits in der letzten Woche brach die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus täglich Rekorde, zum ersten Mal seit Bekanntwerden des ersten Falls in Tschechien meldeten die Behörden über 1.000 Fälle an nur einem Tag. Dieser Trend setzt sich auch in dieser Woche fort: Am Mittwoch wurden 2.139 Personen positiv auf COVID-19 getestet. Deutschland meldete am gleichen Tag etwa die gleiche Anzahl positiv Getesteter, hat aber in etwa acht Mal so viel Einwohner. Die Zahl der am Mittwoch durchgeführten PCR-Tests ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bekannt, am Montag und Dienstag wurden jeweils um die 17.000 Tests durchgeführt. Gleichwohl ist in den letzten Wochen aber der Anteil der positiven Fälle pro durchgeführte Tests deutlich angestiegen. Während zu Beginn des Monats etwa fünf Prozent der Tests zu einem positiven Ergebnis führten, sind dies nun etwa neun Prozent.

Der Leiter des tschechischen Amts für Gesundheitsinformation und Statistik (Ústav zdravotnických informací a statistiky), Ladislav Dušek, warnte davor, dass sich die Infektionszahlen in Tschechien exponentiell entwickeln könnten. „Die Epidemie hat seit 1. September Geschwindigkeit aufgenommen und ihre Form der Verbreitung geändert, es sind keine klar umrissenen Cluster mehr, so wie im Sommer. Es ist die objektive Realität, dass wir hierzulande ein großes Risiko einer exponentiellen Verbreitung haben“, sagte er auf einer Pressekonferenz des tschechischen Gesundheitsministeriums am Donnerstagnachmittag. Die Reproduktionszahl liegt in Tschechien derzeit bei etwa 1,6. Das heißt, dass ein Infizierter im Durchschnitt 1,6 weitere Personen ansteckt.

Mittelböhmen nun auch Risikogebiet

Besonders akut ist die Entwicklung in Prag. Dort haben sich in den letzten sieben Tagen 180 Personen pro 100.000 Einwohner mit dem Coronavirus angesteckt. Aktuell verzeichnet die tschechische Hauptstadt 4.660 aktive Fälle. Bereits in der letzten Woche erklärte das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) Prag zum Risikogebiet. Am Mittwochabend erweiterte es diese Liste um die Prag umgebende Region Mittelböhmen (Středočeský kraj). Reisende, die aus diesen Gebieten nach Deutschland einreisen, müssen an der Grenze einen negativen COVID-19-Test nachweisen können oder sich in Quarantäne begeben. Ein nach der Einreise in Deutschland durchgeführter Corona-Test kann die Quarantänezeit abkürzen. Nähere Informationen, in welchen Fällen Quarantäne oder ein Corona-Test nötig ist, entnehmen Sie den Seiten des Auswärtigen Amts oder dem Bundesgesundheitsministerium.

Die Entwicklung der aktiven COVID-19-Fälle in Prag. Foto: Golemio - Prague City Data

Die Entwicklung der aktiven COVID-19-Fälle in Prag seit Beginn der Pandemie. Aktuell sind in der tschechischen Hauptstadt 4.460 aktive Infektionen mit dem Coronavirus bekannt. Foto: Golemio – Prague City Data

Verschärfte Corona-Maßnahmen ab Freitag

Das tschechische Gesundheitsministerium reagiert derweil auf die verschlechterte epidemiologische Situation im Land und ergreift verschärfte Maßnahmen, die die weitere Ausbreitung der Pandemie eindämmen sollen. Daher erweitert Tschechien die Maskenpflicht: Ab Freitag gilt diese an tschechischen Schulen auch während des Unterrichts (das gilt für Schüler ab der 6. Klasse). Außerdem ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nun auch in Restaurants und Gaststätten verpflichtend. Des Weiteren werden öffentliche Veranstaltungen stärker begrenzt: Ab der Nacht von Freitag auf Samstag gilt für Restaurants, Bars und Clubs zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens landesweit wieder eine Sperrstunde. Zudem sind ab Freitag um 18 Uhr sämtliche Steh-Veranstaltungen in geschlossenen Innenräumen mit mehr als zehn Teilnehmern verboten. Bei Veranstaltungen mit mehr Teilnehmern muss sichergestellt sein, dass jeder einen Sitzplatz hat. Diese Regelung gilt auch für Restaurants, Bars und Clubs, allerdings nicht für Ausstellungen oder Messen.

„Die epidemiologische Situation ist nicht gut, die Epidemie gewinnt an Kraft“, sagte Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos, für ANO). „Wenn wir keine weiteren präventiven Maßnahmen ergreifen, wird sich die Situation verschlechtern. Einen Lockdown planen wir derzeit nicht. Wir müssen allerdings präzise Maßnahmen erlassen, die auf die risikoreichsten Orte zielen“, erklärte er.

Die Opposition und auch die Vertreter der Regionen fordern die Reaktivierung des zentralen Krisenstabs, der im Frühjahr die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus koordiniert hatte. Dafür sind auch die mitregierenden Sozialdemokraten, allen voran Innenminister Jan Hamáček, Premierminister Andrej Babiš (ANO) lehnt das bislang ab.

Aktuell sind in Tschechien 17.427 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Die Mehrheit der Fälle verläuft zurzeit mild oder ohne Symptome. 485 Menschen sind seit Beginn der Pandemie in Tschechien im Zusammenhang mit COVID-19 verstorben. 413 Menschen befinden sich derzeit aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus im Krankenhaus, 91 Personen werden intensivmedizinisch behandelt (Stand: 17.09.2020, 18.00 Uhr).

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.