Bild: Karl IV. auf einem Votivbild aus dem 14. Jahrhundert

Das seit vielen Jahren im Bischof-Benno-Haus im sächsischen Schmochtitz bei Bautzen stattfindende Wochenende der Information und Begegnung der Ackermann-Gemeinde München hatte in diesem Jahr die Verbindung zwischen Böhmen und Sachsen zum Thema.

Der 700. Geburtstag des böhmischen Königs und deutschen Kaisers Karl IV. (1316-1378) gibt Anlass, die vielfältigen Gemeinsamkeiten der 800-jährigen gemeinsamen Geschichte der Deutschen und Tschechen in Böhmen darzustellen und in Erinnerung zu rufen. Karl IV. war eine starke Persönlichkeit, die beide Nationen verband und durch den Zusammenschluss von Böhmen, der Oberpfalz, der Niederlausitz und Brandenburgs zu seiner Hausmacht ein europäisches Zentrum angestrebt und zum Teil verwirklicht hat. Durch die Nachbarschaft von Böhmen und Sachsen sind noch viele Zeugen der Gemeinsamkeit zu erkennen, wie zum Beispiel der Berg Oybin und die Stadt Zittau in der Oberlausitz unmittelbar an der deutsch-tschechischen Grenze.

Einheit unter Karl IV.

Der Eröffnungsvortrag des Leipziger Historikers Thomas Krzenck war der mitteleuropäischen Einheit unter Karl IV. gewidmet. Der spätere Kaiser wurde am 14. Mai 1316 in Prag geboren, getauft auf den Namen Wenzel. Er war der Sohn von Johann von Luxemburg, dem König von Böhmen (1311-1346), und seiner dem Přemyslidengeschlecht entstammenden Gattin Elisabeth, der zweitältesten Tochter des Königs Wenzel II. Přemysl. In Paris erhielt Karl eine für die damalige Zeit keineswegs selbstverständlich umfassende Ausbildung. Karl verfasste später auch eine Autobiographie, die aber nur seine Kindheits- und Jugendjahre darstelle. Aus dieser geht auch hervor, dass er fünf Sprachen beherrschte: Latein, Deutsch, Tschechisch, Französisch und Italienisch).

Am 8. Juni 1341 übertrug Johann aufgrund seiner Erblindung seinem Sohn Karl die Administration des Königreichs. Am 26. November 1346 wurde Karl in Bonn zum König gekrönt. Nachdem er sich am 17. Juni 1349 in Frankfurt am Main noch einmal wählen ließ, wurde er im selben Jahr am 25. Juli in Aachen erneut gekrönt. Sein Vater Johann war bereits im August 1346 in der Schlacht von Crécy gefallen. 1347 folgte Karl seinem Vater als König von Böhmen nach. 1354 zog Karl mit einem kleinen Heer nach Italien. Am 5. April 1355 wurde er in Rom von einem von Papst Innozenz VI. beauftragten Kardinal zum Kaiser gekrönt.

Nachdem Karl 1344 das Prager Bistum zum Erzbistum erhoben hatte, leitete er den Baubeginn des gotischen Veitsdom ein. Für die sichere Aufbewahrung der königlichen und kaiserlichen Insignien ließ er die Burg Karlstein bauen. Von seiner umfangreichen Bautätigkeit in seiner „Goldenen Stadt“ Prag zeugt vor allem die Karlsbrücke, die älteste Brücke über die Moldau und eine der ältesten Steinbrücken in Europa überhaupt. 1348 gründete er die erste mitteleuropäische Universität, die Karlsuniversität. Prag wurde unter Karl IV. zu einem der wichtigsten geistigen und kulturellen Zentren, zur Haupt- und Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches und war damals die drittgrößte Stadt Europas.

Die Verabschiedung der Goldenen Bulle 1356 war ein folgenreicher Schritt in Karls Regierung, da sie das Wahlverfahren des römisch-deutschen Königs regelte und die Anzahl und Namen der Kurfürsten festlegte.

Nachfolge und Vermächtnis

Karls ältester Sohn Wenzel, der bereits seit 1363 König von Böhmen war, wurde noch zu Lebzeiten Karls IV. am 10. Juni 1376 zum römisch-deutschen Kaiser gewählt. Karl IV. starb im Alter von 62 Jahren am 29. November 1378, im gleichen Jahr, als sich die abendländische Kirche spaltete.

Unumstritten ist, dass Karl IV. ein hochintelligenter und hervorragender Diplomat war und sich um die Förderung der Wissenschaften und Künste sehr verdient machte. Er wird als der größte römisch-deutsche Kaiser des Spätmittelalters bezeichnet. Ihm wird auch zugutegehalten, dass er ohne Blutvergießen im Einvernehmen mit dem Papst den Kaisertitel erringen konnte. Durch seine Heiratspolitik konnte er auf friedlichem Wege sein Reich erweitern. Karl IV. heiratete 1329 Blanca Margarete von Valois, 1349 Anna von der Pfalz, 1353 Anna von Schweidnitz und 1363 Elisabeth von Pommern.

„Das mir vorgegebene Thema wirft zahlreiche Fragen auf, wie ist der Terminus Mitteleuropa, der Begriff Einheit dieses territorialen Raumes unter dem bedeutendsten Herrscher aus dem Geschlecht der Luxemburger und die Durchsetzung der Herrschaftskonzeption Karls IV. in der Gegenwart zu bewerten. Das 14. Jahrhundert war ein sehr bewegtes Jahrhundert“, kommentierte zum Schluss der Referent.

Historische und aktuelle Verbindungen

Der Historiker Lars-Anne Dannenberg von der TU Dresden sprach über die historischen und aktuellen Verbindungen zwischen Sachsen und Böhmen: „Das Bistum in Bautzen war im 15. Jahrhundert Spielball ausländischer Herrscher. Es gab Konflikte mit dem Bischof von Meißen. Mit dem von Georg von Podiebrad und dem Kurfürsten Friedrich und Herzog Wilhelm von Sachsen 1459 in Eger unterzeichneten Friedensvertrag wurden die Grenzstreitigkeiten zwischen Böhmen und Sachsen beigelegt. Die Grenze von Eger über den Kamm des Elster- und Erzgebirges bis nach Tetschen-Bodenbach (Dečín) ist noch heute gültig und somit die älteste und längste Grenze in Europa.

Martin Luther (1483-1546) war nie in der Oberlausitz, in Böhmen oder Schlesien. Aber die geistige Bewegung, die der Reformator auslöste, hat diese Länder sehr geprägt. Böhmen war im 16. Jh. bereits ein mehrkonfessionelles Land. Die Mehrheit der tschechischen Bevölkerung bekannte sich zum Utraquismus, einer gemäßigten Form der hussitischen Bewegung, die in der Nachfolge des Reformators Jan Hus (1369-1415) stand. In Jungbunzlau (Mladá Boleslav) entstand eine neue Brüdergemeinde unter dem Namen Kalich (Kelch). Nach der Niederlage des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz (1596-1632) und der protestantischen böhmischen Stände in der Schlacht am Weißen Berg 1620 setzten die Habsburger in ihrem wiedergewonnenen Königreich die Gegenreformation durch. Wer nicht zum römisch-katholischen Glauben übertrat, wurde verfolgt und musste das Land verlassen. Etwa 50 000 böhmische Exulanten kamen nach Sachsen, ließen sich vor allem in Dresden und in der Oberlausitz nieder. In Zittau bildete sich eine starke Gemeinde von tschechischen Exulanten. Bis 1837 wurden dort die Gottesdienste in tschechischer Sprache abgehalten.

In der 1918 gegründeten Tschechoslowakischen Republik beriefen sich die Böhmischen Brüder und die Hussitische Kirche auf das evangelische Erbe. Die deutschen Lutheraner schlossen sich in einer eigenen Kirche zusammen, die nach ihrer Vertreibung 1945 erlosch. Nach Kriegsende wurden die Deutschen vertrieben.“

Bischof Wolfgang Ipolt aus Görlitz zelebrierte die Heilige Messe am Samstagmorgen. Im Anschluss berichtete er zum Thema „Das Bistum Görlitz im Dreiländereck: Nachbarschaft als Chance und Herausforderung“ über sein Wirken als Bischof in dieser Region und die heutige Situation der Gläubigen.

Sachsen – Böhmen heute

„Nach der Wende 1989 hat sich das Verhältnis zwischen Sachsen und Böhmen wesentlich schneller entwickelt, als zu Bayern. Einerseits beruht das auf den schon langjährigen kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der ehemaligen DDR und der ČSSR, andererseits hat Sachsen die zweitgrößte Population der Vertriebenen. Es gibt ein Generalkonsulat in Dresden, seit 1999 veranstaltet die Brücke-Most-Stiftung gemeinsam mit dem Generalkonsulat die Tschechisch-Deutschen Kulturtage, früher auch mit dem Tschechischen Zentrum, führt zahlreiche Projekte durch, die die deutsch-tschechischen Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart zum Thema haben. Seit 2012 gibt es eine Sächsische Repräsentanz unter der Leitung von Stefanie Rehm in Prag, das ist Ausdruck einer besonderen Wertschätzung. Tschechien ist der wichtigste Handelspartner. Prag hat gute Beziehungen in der Energiepolitik. Im Grenzgebiet gibt es viele Kontakte, beispielsweise wird die Braunkohlenwirtschaft in der Lausitz von tschechischen Unternehmen kontrolliert. Ein Beispiel guter Zusammenarbeit in der Elbe-Labe-Region ist der vor kurzem wieder in Betrieb genommene Gleisanschluss zwischen Sebnitz und Einsiedel (Dolní Poustevna) dank des aus dieser Gegend stammenden Hauptinitiators Günther Gebauer oder die Wiederbelebung des Osterreitens in Nixdorf (Mikulášovice), das wider Erwarten auf großen Widerhall stieß und als Osterbrauch in der ganzen Region wieder Verbreitung findet. Das waren nur einige von den vielen Beispielen guter nachbarschaftlicher Beziehungen“, schloss Steffen Neumann, Journalist und Korrespondent der Sächsischen Zeitung und des LandesEcho sein Referat.

Der zweite Tag klang mit einem Vortrag über den deutsch-jüdischen Prager Schriftsteller Leo Perutz (1882-1957) aus. Irmgard Barenberg, eine Lehrerin aus dem mittelfränkischen Schwarzenbruck, stellte kurz das bewegte Leben dieses weniger bekannten Prager Schriftstellers dar. Sie las Ausschnitte aus seinem bekanntesten Werk „Das Leben unter der steinernen Brücke“ vor.

„Die neuen Lebensmöglichkeiten im vereinigten Europa lassen ein Miteinander der Völker besonders gut gelingen, wenn die Lehren aus der gemeinsamen Vergangenheit gezogen werden. Neben den wirtschaftlichen Beziehungen sind es besonders die kulturellen, kunsthistorischen und kirchlich-religiösen Werte, die einer Wiederbelebung bedürfen“, war das Hauptanliegen der Veranstalter.

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