Äußerst friedlich und total auf Versöhnung ausgerichtet, ging Pfingsten der Sudetendeutsche Tag in Augsburg über die Bühne. Der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder trat in die Fußstapfen seines Vorgängers Horst Seehofer und begrüßte die Annäherung zwischen den Nachkriegs-Vertriebenen und Tschechien ausdrücklich. Er sprach von einem „zarten Pflänzchen“. Es sei Aufgabe der Politik, dieses Pflänzchen „weiter wachsen zu lassen“.

 

Der tschechische Botschafter in Deutschland, Tomáš Jan Podivínský, begrüßte im Bayerischen Fernsehen den „Blick nach vorn“ in Söders Rede. Darüber wenig in den tschechischen Montagszeitungen.

Dafür wurde da ein Halbsatz des gänzlich unbedeutenden Staatssekretärs Stephan Meyer aus dem deutschen Innenministerium breit getreten. Der hatte gesagt, dass die Beneš-Dekrete nicht ins heutige Europa passten. Der Mann betonte, dies sei seine persönliche Meinung.

Schon am Samstag aber wurde da ČTK aktiv und machte eine Umfrage unter führenden tschechischen Politikern zu dieser Aussage. Was von den Chefs der linken und rechten Extremisten, Filip und Okamura, dankend aufgegriffen wurde. Die kriegten sich gar nicht wieder ein über diese  privaten Aussagen des CSU-Mannes. Da war bei dem Altkommunisten Filip sofort von „fortwährender Störung der Beziehungen die Rede“, von „Leuten, vor denen man sich vorsehen müsse“. Okamura schlug gleich noch auf die tschechischen Parteien ein, denen an einem auskömmlichen Verhältnis mit den Sudetendeutschen gelegen ist.

Selbstverständlich konnte auch der Sprecher des Präsidenten, Herr Ovčáček, das Wasser nicht halten und ließ in wenigen Sätzen einen Haufen Unsinn ab. „Unentschuldbar“ seien die Worte des Staatssekretärs gewesen, den in Deutschland niemand kennt. Und: „Tschechien werde seine Geschichte nicht nach den Wünschen dieses Herren umschreiben“. Plumper und dümmer geht es nicht.

Auch die sonst so seriöse Tageszeitung Lidové noviny widmete in einem Kommentar ein paar Sätze dem Geschehen in Augsburg. „Nicht ohne Überraschung ist in Tschechien die Nachricht aufgenommen worden, dass auf dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg die Beneš-Dekrete nach Jahren erstmals wieder zu einem Thema geworden sind. Was ist da los?“, fragte der gemeinhin sehr gut orientierte Kommentator Zbyněk Petráček. Deutlich unter seinem ansonsten hervorragenden Niveau.

Zur Erinnerung: der letzte Politiker, der mit den Beneš-Dekreten im deutsch-tschechischen Verhältnis Unheil anrichtete, war Präsident Miloš Zeman. Er gewann mit dem Kramen in der untersten Schublade seine erste Präsidentschaft gegen Karel Schwarzenberg.

Also frage ich gern zurück: Was ist da los in tschechischen Redaktionsstuben?

 

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