Foto: Pavel Bělobrádek - Bild: EPP/Wikipedia

Tschechiens christdemokratischer Vizepremier Pavel Bělobrádek hat in ein Wespennest gestochen: am vergangenen Wochenende nutzte er einen Arbeitsbesuch in München, um dem dortigen Sudetendeutschen Haus einen Besuch abzustatten. Dorthin hat sich noch nie ein tschechischer Regierungs-Politiker verlaufen. Mehr noch: Belobradek ehrte dort die Opfer der Gewalt bei der Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Nachkriegs-Tschechoslowakei mit einem Blumengebinde.

 

 

Der Sprecher der Sudetendeutschen und langjähriger Europapolitiker Bernd Posselt, sprach vom „größten Schritt eines tschechischen Politikers seit 20 Jahren“. 

Bělobrádek verstand seine Geste als „die des Vorsitzenden der Christdemokraten und als die eines Christen“. Der Chef der kleinsten Prager Regierungspartei hatte schon zu Pfingsten für Aufregung gesorgt, als er vom damals tagenden Parteitag seiner KDU-ČSL einen Gruß per Video an das Treffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft geschickt hatte, der dort mit dankbarem Beifall aufgenommen worden war.

In Prag stieß er damit schon seinerzeit auf Widerspruch. Doch mit der jetzigen Aktion hat sich Bělobrádek einen Sturm der Entrüstung eingehandelt. Dass die umgewendeten Kommunisten sich bitter beklagten, war zu erwarten. 

Scharfe Kritik kam aber auch von den Bürgerdemokraten (ODS), die lange Jahre von Ex-Präsident Václav Klaus geführt worden waren. Dabei war es mit Petr Nečas ein ODS-Ministerpräsident gewesen, der in München die Sudetendeutschen als „Landsleute“ gewürdigt hatte. Doch Nečas ist in Tschechien nach einem Korruptionsskandal in Ungnade gefallen und niemand will sich mehr seiner historischen Rede von München erinnern. Dafür ereiferten sich jetzt die Hardliner in der ODS um den langjährigen Deutschland-kritischen Europaabgeordneten Jan Zahradil besonders laut und verlangten eine Stellungnahme von Regierungschef Bohumil Sobotka. 

Der Sozialdemokrat Sobotka begrüßte zwar in einem Satz die Geste seines Regierungs-Vizes, um dann aber lang und breit zu erklären, dass die Vertreibung der Deutschen nur eine Reaktion auf den nazistischen Terror während der Okkupation Böhmens und Mährens gewesen sei. Mithin wiederholte er die offensichtlich unumstößlich Haltung Prags, dass nur ein Unrecht das andere nach sich gezogen habe. In diesem Punkt war der erste Nachwende-Präsident Václav Havel schon vor 25 Jahren weiter.

Zustimmung erfuhr Christdemokrat Bělobrádek von der oppositionellen konservativen Partei TOP 09. Sowohl Parteichef Karel Schwarzenberg als auch dessen Vize Miroslav Kalousek würdigten die Geste des Christdemokraten: „Diese Geste war jetzt am Platz. Es muss zwischen Tschechen und Deutschen eine definitive Versöhnung geben.“

Beobachter in Prag äußerten die Erwartung, dass sich Regierungschef Sobotka früher oder später auch versöhnlicher zeigen werde. Hintergrund: Vergangenen Freitag hat der frühere, längst gediente tschechische Botschafter in Deutschland, Rudolf Jindrák, seinen neuen Job als außenpolitischer Berater Sobotkas angetreten. Jindrák gehört zur Fraktion der versöhnlichen Tschechen.

 

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