Foto: Bierseidel mit Rauchverbotszeichen - Bild: LE/tra

Schluss mit lustig für die tschechischen Raucher: Morgen, am Internationalen Nichtrauchertag, soll in den Kneipen des Landes frische Luft Einzug halten. Dienstagabend werden drinnen die letzten Zigaretten ausgedrückt. 

„Mir wird schlecht, wenn ich an unseren Umsatz denke“, sagt ein Kellner aus dem Prager Restaurant „U Rudolfina“. „Für viele unserer Stammgäste ist ein Besuch, ohne rauchen zu dürfen, undenkbar, wie wir aus Umfragen wissen.“ Die Leute in Prags angesagtester Enten-Kneipe „U Bansethů“ sehen es gelassener: „Zu uns kommen die Gäste in erster Linie wegen des Essens. Wir haben deshalb schon vor geraumer Zeit komplett auf Nichtraucher umgestellt und keinerlei Einbußen zu beklagen.“

60 Prozent der Wirtshäuser in Tschechien sind wie das „U Bansethů “ schon jetzt Nichtraucherzone. Die Meinungen in der Bevölkerung sind gespalten, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Tschechischen Rundfunks ergab: „Danach ist die Anzahl der Befürworter und der Gegner des generellen Rauchverbots etwa gleich groß.“  

Die reichlich 25 Prozent Raucher in Tschechien, die bislang auf einer europäischen Insel der qualmenden Glückseligkeit lebten, trifft es gleich richtig hart. Das Gesetz macht keinerlei Unterschied zwischen gastronomischen Einrichtungen einerseits und finsteren Spelunken oder teuren Bars andererseits, in denen nur Getränke ausgeschenkt werden.

Zwar ist nicht sicher, ob das Gesetz Bestand haben wird. Eine Gruppe von Senatoren hat vor dem Verfassungsgericht dagegen geklagt. Aufschiebende Wirkung hatte das jedoch nicht. Deshalb werden auch vom ersten Tag der neuen rauchfreien Zeitrechnung Kontrollen größeren Ausmaßes anlaufen. Wer als Raucher erwischt wird, muss bis zu 5 000 Kronen löhnen (etwa 200 Euro). Die Kneipiers, die nicht gegen Raucher einschreiten, trifft es noch heftiger: Da werden 150 000 Kronen fällig oder gleich zwei Jahre Verbot, das Etablissement zu betreiben. 

Ausnahmen vom generellen Rauchverbot gibt es, aber die sind marginal: So dürfen E-Zigaretten und Wasserpfeifen weiter konsumiert werden. Ausgenommen vom Rauchverbot sind auch Restaurant-Gärten. Das ist ein Zugeständnis, das in Städten sicher genutzt werden wird. Auf dem Land stehen die Kneipen aber in der Regel direkt an der Straße. Da ist kein Platz für einen Garten. Außerdem hängt die Zustimmung, einen Rauchergarten zu errichten, von den örtlichen Behörden ab. Und die sind eher dem Nichtrauchergesetz zugeneigt.

Ob das große Ziel der Gesetzesmacher in Erfüllung geht – dass die Zahl der Raucher schlagartig zurückgehen wird – darf bezweifelt werden. Die Tabakkonzerne jedenfalls sehen dem Verbot gelassen entgegen. Ausschlaggebend für deren Kalkulation ist ein Blick auf die europäischen Nachbarn, die sich schon früher vom blauen Dunst in den Kneipen verabschiedet haben. Im Schnitt war im ersten Jahr ein Einbruch der Verkaufszahlen von nur rund vier Prozent zu beobachten gewesen. Ausreißer waren lediglich Spanien, Griechenland, Irland und Portugal, wo die Zahlen um bis zu 20 Prozent einbrachen. Spätestens im zweiten Jahr erreichten Verkauf und Konsum von Tabakprodukten jedoch wieder ihren Ursprungswert.

Die Zeitung „Lidové noviny“ veröffentlichte am vergangenen Wochenende eine eineinhalbseitige Abhandlung über die Geschichte des Rauchens in Österreich-Ungarn, der Tschechoslowakei und in Tschechen, die mancher Raucher mit Sicherheit genüsslich sogar mit einer längeren Zigarre gelesen haben dürfte. Über lange Zeit, so hieß es da, habe der Staat das Rauchen gefördert, weil es für ihn die zweit- oder drittwichtigste Steuereinnahmequelle gewesen sei. Heute – und da bekamen die Raucher Husten – beträgt diese Steuereinnahme in Tschechien nur noch vier Prozent des Budgets. 

Probleme hat es in alten Zeiten nicht wegen des Rauchens gegeben, sondern vielmehr wegen des Anzündens des Tabaks. Bis zur Einführung von Sicherheitszündhölzern Mitte des 19. Jahrhunderts seien gern mal ganze Häuserzeilen oder Dörfer Opfer der Flammen geworden. Als erstmals deutsche Ärzte 1939 einen Zusammenhang zwischen dem Rauchen und Krebserkrankungen nachwiesen, hätten das die Tschechen bewusst ignoriert – weil man den Deutschen prinzipiell nicht traute. Noch Ende der 1960er Jahre ‚erfand‘ dem Artikel zufolge ein Tscheche eine „Anti-Asthma-Zigarette“. Und die Warnung, wonach Rauchen schädlich sei, habe man in der Tschechoslowakei 20 Jahre später als in den USA auf die Schachteln geschrieben. 

Mehrfach sei zudem das Rauchen untersagt worden – aber stets nur von kurzer Dauer. Ein Hoffnungsschimmer für die heutigen Raucher? Eher nicht. Die Abhandlung in der Zeitung endete mit einem 15-zeiligen Gedicht eines gewissen Jaroslav Vrchlický, der den Abgesang auf seine letzte Zigarette schon 1897 verfasste. Der tapfere Dichter hatte bis dahin 50 Zigaretten am Tag verbraucht. Vielleicht nehmen ihn sich jetzt einige Tschechen zum Vorbild.

„Immerhin meint es das Wetter gut mit denen, die künftig nach draußen verbannt werden, um sich eine Zigarette anzuzünden“, witzelte eine Prager Zeitung: „Bei den derzeit sommerlichen Temperaturen holen sich die Raucher keinen Kälteschock vor der Kneipentür.“

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