Foto: Geschlossen-Schild

Bekämen die Tschechen die derzeit in Dresden laufende Debatte über das Für und Wider von verkaufsoffenen Sonntagen mit, würden sie vermutlich lachen. In ihrem Land kann man de facto an 365 Tagen im Jahr nahezu rund um die Uhr einkaufen. Das gilt zumindest für Prag und andere Großstädte. Doch womöglich müssen sich die Tschechen an ein strengeres Regime gewöhnen: Der sozialdemokratische Senator František Bublan brachte am Dienstag im Prager Unterhaus einen Gesetzentwurf ein, der auf eine Revolution im Handel Tschechiens abzielt.

 

 

Bublan möchte, dass große Kaufhäuser und Supermärkte künftig an den staatlichen Feiertagen geschlossen bleiben. Konkret geht es um Neujahr, den Ostermontag, den 8. Mai (Tag der Befreiung), den 28. September (St. Wenzels-Tag), den 28. Oktober (Tag der Staatsgründung) sowie den ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag. Heiligabend soll zudem 12 Uhr mittags Schluss sein.

Geht man zurück in der Geschichte, dann gab es in der sozialistischen Tschechoslowakei ähnliche Regelungen wie in der DDR. Die Geschäfte wurden spätestens am Samstag um 13 Uhr geschlossen. Sonntags herrschte völlige Ruhe. Spezialgeschäfte, wie Fleischereien, hatten auch noch am Montag geschlossen. Wichtig ist der Zusatz, dass es in der Tschechoslowakei – anders als in der DDR – keinerlei private Läden gab. Keinen Fleischer, keinen Schuster, keinen Bäcker, nichts. Alles war „nationalisiert“ und unterstand sozialistischen Handelsgesellschaften wie in der DDR dem Konsum oder der HO.

Der gesellschaftspolitische Wandel 1989 löste für die Tschechen deshalb eine Revolution im Handel aus. Bestehende Läden wurden im Zug der „kleinen Privatisierung“ in private Hände gegeben. Zudem öffneten sich plötzlich Rollläden, die 40 Jahre geschlossen waren. Dahinter werkelten Bauarbeiter und machten aus jedem nur möglichen Raum einen privaten Laden. Die schossen Anfang der 1990er Jahre tatsächlich wie Pilze aus dem Boden.

Die tschechischen Verbraucher nahmen das dankbar an. Mit den wachsenden Löhnen wuchs auch die Kaufkraft. Jeder neu eröffnete Supermarkt wurde regelrecht gestürmt. Unvergessen ist ein Fernsehfilm, der über Wochen heftig beworben wurde und zeigte, wie angeblich auf freiem Feld am Rand von Prag ein Kaufhaus errichtet wird. Am „Tag der Eröffnung“ strömten dort tausende Menschen hin. Was sie nicht ahnten: Dort stand kein wirkliches Kaufhaus, sondern nur die Kulisse eines solchen. Der Film belegte aber eindrucksvoll den Kaufrausch, dem die Tschechen binnen kürzester Zeit verfallen waren.

Einkaufen gehört bis heute zu den Lieblingsbeschäftigungen der Tschechen. An Sonn- und Feiertagen bekommt man vor Super- und „Hypermärkten“ kaum einen Parkplatz. Und drinnen ist dann die komplette Familie zugange und kauft, was die Geldbörse hergibt. Wer lediglich am Freitag vergessen hat, Brot und Butter zu kaufen, kommt sich mit seinem mager gefüllten Einkaufswagen wie im falschen Film vor. Für diese armen Menschen gibt es aber auch schon reichlich Selbstbedienungskassen, an denen man seine Waren selbst einscannen und bar oder mit Kreditkarte bezahlen kann.

Speziell die Feiertage gehörten bislang im Handel zu Großkampftagen. Damit soll nun Schluss sein. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob Senator Bublan mit seinem Gesetzesentwurf Erfolg haben wird. Es gibt repräsentative Umfragen in Tschechien, die da Zweifel aufkommen lassen. Die Agentur GfK beispielsweise fand unlängst heraus, dass 52 Prozent der Tschechen sich ihren Einkauf an Sonn- und Feiertagen unter keinen Umständen nehmen lassen wollen. Nur vier Prozent gaben an, an diesen Tagen nie einzukaufen. Es gibt jedoch auch eine andere Umfrage, wonach sich zwei Drittel der Tschechen mit einkaufsfreien Tagen anfreunden könnten.

Der Verband der Händler lehnt Einschränkungen strikt ab. Aber auch die Verkäuferinnen wären nicht erfreut, sollten sie an den Feiertagen frei haben. Sie verdienen mit durchschnittlich umgerechnet 785 Euro im Monat sehr wenig und sind auf die beachtlichen Feiertagszuschläge angewiesen. Freie Zeit bekämen sie an anderen Tagen, sagen sie. Dass die Kirchen für freie Feiertage plädieren, hat im sehr atheistischen Tschechien kaum Gewicht. Senator Bublan räumt ein, dass mit seinem Gesetz womöglich auch Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Experten haben zudem errechnet, dass die Einnahmen des Handels um bis zu drei Prozent schrumpfen könnten. Das geht dann schon in den Milliarden-Kronen-Bereich und hätte Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Wetten auf dem Ausgang der Parlaments-Debatte mag deshalb niemand in Tschechien eingehen.

 

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