Ob London, Paris oder Prag – nachts treffen feierwillige Touristen hier auf Anwohner, die schlafen wollen. Lärm und Gewalt durch Betrunkene sorgen bei der örtlichen Bevölkerung nicht selten für schlaflose Nächte und sogar für Konflikte zwischen der Partygesellschaft und den Anwohnern selbst. Seit einiger Zeit hat Prag mit Jan Štern einen Nachtbürgermeister, der zwischen den beiden Interessengruppen vermitteln soll.

 

Schädliches Image einer Partystadt

Prag hat bei vielen Besuchern den Ruf einer Partystadt, in der Alkohol sich leicht und günstig beschaffen lässt. Nicht selten wählen wegen der niedrigen Preise vor allem Abiturienten oder auch Junggesellenabschiede gezielt die tschechische Hauptstadt als Reiseziel ihrer Abschlussfahrten aus. Und gerade die lauen Sommernächte laden die Besucher der Moldaumetropole dazu ein, ihr Leben zunehmend in die Nacht zu verlagern – zum Leidwesen vieler Anwohner.

Besonders die Gegenden entlang des Moldauufers sowie in der Dlouhá-Straße sind bei vielen ausländischen Touristen wegen ihres vielfältigen Ausgeh-Angebots beliebt. Dass es sich bei diesen Gebieten aber nicht nur um eine Partyzone, sondern auch um ein Wohngebiet handele, realisierten die Touristen jedoch häufig nicht, so Jan Štern in einem Interview mit der Onlinezeitung aktualně.cz. Auch nach 22 Uhr kommt es daher oft noch zu Ruhestörungen durch Betrunkene, die von einer solchen Nachtruhe-Regelung natürlich nichts wissen.

Vorbilder in ganz Europa

Die nächtlichen Ruhestörungen beeinträchtigen das Verhältnis zwischen Anwohnern und Besuchern aber nicht nur hierzulande. Um dieses wieder zu verbessern, haben sich in vielen Großstädten der Welt in den letzten Jahren sogenannte „Nachtbürgermeister“ etabliert. Zu diesen Städten zählen unter anderem Paris, London und seit knapp einem Jahr auch Mannheim.

Die Aufgabe der Nachtbürgermeister besteht vor allem darin, das Miteinander von Nachtschwärmern, Clubbetreibern und Anwohnern zu verbessern. Den Anfang mit diesem Konzept machte die Stadt Amsterdam. Der dortige Nachtbürgermeister Mirik Milan hält sein Amt bereits seit 2012 und konnte vor einigen Jahren dieses Ehrenamt zum Beruf machen.

Seitdem hat er sich unter anderem für eine Aufhebung der Amsterdamer Sperrstunde für Kneipen eingesetzt. Vom Amsterdamer Nachtbürgermeister hat sich auch Jan Stern, der seit Januar in der tschechischen Hauptstadt als Nachtbürgermeister tätig ist, inspirieren lassen. Aus seiner Sicht gehöre das Nachtleben irgendwie mit zu Prag, weshalb man dieses nicht verbieten könne – darunter würden letzten Endes auch die Prager selbst leiden.

Maßvoll feiern

So radikale Varianten wie die Sperrstunde für Kneipen lehnt Štern genau wie sein Amsterdamer Kollege ab. Es geht viel mehr um eine Organisation des Nachtlebens, mit der sich alle betroffenen Parteien arrangieren können. Zu den ersten Lösungsansätzen gehört zum Beispiel, dass sich die Kneipen und Clubs im Verbund Soho (in der Gegend um die Dlouhá-Straße) verpflichten, nicht mehr mit von Agenturen organisierten Kneipentouren zusammenzuarbeiten. Außerdem sollte die Clubszene in Bereiche der Stadt ausgelagert werden, in denen es zu keinerlei Störungen von Anwohnern komme, so der Prager Nachtbürgermeister.

Eine weitere Maßnahme in Form einer Plakat-Kampagne soll die Touristen auf unangebrachtes Verhalten in den Prager Straßen und die jeweiligen Strafen dafür hinweisen. Darunter befindet sich unter anderem auch der Hinweis auf die Nachtruhe ab 22.00 Uhr. Laut Štern könne man sich schließlich nicht aussuchen, welche Gäste in die Stadt kämen. Daher fokussiere man sich mit dieser Kampagne vor allem auf Touristen, mit denen bestimmte Probleme wie die Lärmbelästigung einhergingen.

Außerdem sei eine Maßnahme im Entstehen, die die Zufahrt von Autos in die Gegend um die Dlouhá-Straße einschränken soll, da ein Großteil der Lärmbelästigung von Autos ausginge. In Zukunft wolle man zudem mit den Hotels sowie dem Zimmervermittlungsdienst AirBnB zusammenarbeiten, um die Touristen schon vor ihrem Aufenthalt in Prag über den hiesigen Verhaltenskodex aufzuklären. Auch den Stempel einer günstigen Partystadt müsse man zu einem bestimmten Grad laut Štern ablegen.

Eine Balance sei seiner Meinung nach wichtig, um das Partyleben als wichtigen Teil Prags dennoch zu bewahren. Ob der Prager Nachtbürgermeister die gewünschte Balance herstellen kann, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Bis dahin werden aber wohl noch einige Tage und Nächte ins Land gehen.


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