Über die historische Entwicklung des Deutschlernens in der Tschechoslowakei diskutierten (v.l.n.r.): Štěpán Zbytovský vom Institut für germanische Studien der Karls-Universität zu Prag, Richard Rothenhagen von der Masaryk-Universität Brünn (a.D.), der tschechische Journalist und Moderator Luboš Palata, Bernd Fabritius, Bundesbeauftragte für nationale Minderheiten und Aussiedlerfragen, Knuth Noke vom Goethe-Institut Prag, Marie Černíková vom Tschechischen Schulministerium sowie Jan Bartoš, Präsidiumsmitglied der LV und Lehrer. / Foto: PeggyLohse

Bei der Konferenz der deutschen Minderheit kamen die Mängel des Deutsch-Unterrichts in Tschechien auf den Tisch, aber auch einige mutige Lösungsansätze.

Der Klagenkatalog von Jan Bartoš war lang. Die Zahl der vorgesehenen Deutsch-Wochenstunden ist mit sechs zu wenig, zumal es den Schulen überlassen wird, wie viel sie ansetzen. Aus Lehrermangel oder weil es der Lehrplan nicht anders zulässt schmilzt ihre Zahl oft auf nur zwei zusammen. „Und die werden dann nicht selten in der siebenten, achten oder sogar neunten Stunde gehalten“, so Bartoš, der in Pardubice an einer Berufsschule lehrt. Eigentlich gehört zu seinen Fächern auch Deutsch. Aber diese Sprache zu lernen werde in Tschechien derart unattraktiv gemacht, dass die Zahl der Deutsch wählenden Schüler nicht ausreiche. Das frustriert den Lehrer, dem ein besserer Deutsch-Unterricht auch noch aus einem anderen Grund am Herzen liegt. Als Angehöriger der deutschen Minderheit und Präsidiumsmitglied des Dachverbands sorgt er sich um den Fortbestand seiner Muttersprache.

Deswegen widmete sich die alle zwei Jahre stattfindende Konferenz der Landesversammlung der deutschen Vereine, finanziell unterstützt vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond, in diesem Jahr dem Thema „Der Wandel des Deutschen als Minderheitensprache im tschechischen Schulwesen“. Das 100-jährige Jubiläum der Tschechoslowakei wurde zum Anlass genommen. Denn genau so lange ist das Deutsche in dieser Region bereits Minderheitensprache.

Vieles, was heute mit dem Deutschen und dem Deutsch-Unterricht in Tschechien im Argen liegt, ist auch historisch begründet, wie der Sprachhistoriker Mirek Němec in seinem Impulsreferat darlegte. Deutsch war die Sprache der Habsburger Herrschaft. Der schlechte Ruf der Sprache verstärkte sich noch durch populäre Filme in den 1930er Jahren. Der Deutschlehrer war dort meist eine Art Ungeheuer, die einem nur Angst einjagte und die Sprache ein für allemal vergällte. Erst recht war es mit der Attraktivität der deutschen Sprache 1938 nach dem Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich sowie wenige Monate später nach der Errichtung des deutschen Protektorats über Böhmen und Mähren vorbei.

Hatte es bis 1938 wenigstens noch deutsche Schulen gegeben, war dies 1945 mit der Vertreibung von Millionen Deutschen passé. Ab sofort mussten die noch verblieben Deutschen Verfolgung fürchten, wenn sie sich in ihrer Muttersprache unterhielten. Zwar kehrte das Deutsche in der Tauwetterperiode der 1960er Jahre auf die Straßen zurück. Es wurde als Sprache des Bruderlandes DDR sogar rehabilitiert. Doch die Niederschlagung des Prager Frühlings machte auch hier positive Entwicklungen zunichte. Gab es nach 1989 dann sowohl für die Minderheit, als auch für die Germanistik und den Deutsch-Unterricht einen Aufbruch, befindet sich der Deutsch-Unterricht heute auf einem Niveau, das stellenweise jenes vor 1989 noch unterschreitet. „Heute werden nicht mal mehr Aufnahmeprüfungen für das Deutschlehrer-Studium vorgenommen, weil befürchtet wird, dass nicht alle freien Studienplätze besetzt werden können“, beschreibt das geringe Interesse der inzwischen pensionierte Dozent Richard Rothenhagen, der nach 1990 in Brünn (Brno) den Lehrstuhl für das Deutsch-Pädagogik-Studium aufgebaut hatte.

Doch so trist auf der Konferenz der Zustand des Deutschen gezeichnet wurde, so gut waren die Podien mit Personen besetzt, die Lösungsansätze liefern konnten. Zunächst forderte der Beauftragte der Bundesregierung für nationale Minderheiten und Aussiedlerfragen, Bernd Fabritius, eine Entpolitisierung des Deutschunterrichts. Gleichzeitig betonte er die Unterscheidung des Deutschen als Fremd- und als Muttersprache, die sie Minderheit spricht und die ihre Identität ausmacht.

Doch da die Minderheit in Tschechien nur noch so klein ist, dass die Einrichtung eines Minderheitenschulsystems aufgrund mangelnder Nachfrage nicht möglich ist, muss notgedrungen der Deutschunterricht insgesamt verbessert werden, sagte Knuth Noke, stellvertretender Direktor des Goethe-Instituts in Prag. Damit wäre bereits viel gewonnen. Ein erster sehr wichtiger Schritt, darin waren sich alle einig, war die Einführung einer zweiten Pflichtsprache neben dem Englischen vor fünf Jahren. Seitdem seien auch wieder die Zahlen der Deutsch-Schüler gestiegen.

Am Nachmittag diskutierten die Zukunft des Deutschlernens in Tschechien (v.l.n.r.): Eva Tučková vom Tschechischen Schulministerium, Vít Dovalil vom Institut für germanische Studien der Karls-Universität zu Prag, der deutsche Korrespondent und hier Moderator Hans-Jörg Schmidt, Erika Vosáhlová, I. Vizepräsidentin der LV, Direktorin Zuzana Svobodová vom Thomas-Mann-Gymnasium in Prag sowie der Linguist Oliver Engelhardt vom Deutschen Sprach- und Kulturverein für bilinguale Kinder in Prag. / Foto: Peggy Lohse

Trotzdem bleiben noch viele Baustellen: zu wenig Deutsch-Lehrer und zu wenig gute, eine weiter niedrige Attraktivität des Deutschen und ein aus Sicht des Germanisten Vit Dovalil diskriminierender Absatz im Rahmenlehrplan. Wer an der Grundschule Deutsch lernt müsse vom Direktor gewarnt werden, dass er an der weiterführenden Schule nicht damit rechnen kann, Deutsch auf seinem erreichten Niveau weiter zu lernen. „Diese Möglichkeit zur Fortführung des Deutschunterrichts muss unbedingt hergestellt werden“, fordert Dovalil.

Warum aber nicht gleich Deutsch als erste Sprache zulassen, brachte Jan Bartoš einen von allen Seiten unterstützten Paradigmenwechsel ins Gespräch. Englisch sei lingua franca, so Knuth Noke. „Aber bei der ersten Sprache gehe es darum, eine ganze Kultur mitzulernen.“ Und die könne in Tschechien ruhig deutsch sein. Noke war es auch, der forderte, endlich mit der Mär aufzuhören, Deutsch sei eine schwere Sprache. Dies führe nur dazu, Interessenten unnötig zu verängstigen. „In Wirklichkeit“, so Noke, „ist Deutsch ‚easy‘.“

Die beiden Referentinnen vom Schulministerium, Marie Černíková und Eva Tučková, zeigten sich erstaunlich offen für solche Vorschläge. Der diskriminierende Absatz im Schulrahmenplan gehöre abgeschafft, räumt Tučková ein. Und Černíková hält es für notwendig, dass jeder Schüler seine erste Sprache selbst wählen können müsse.

Um greifbare Veränderungen zu erreichen, reicht eine Konferenz nicht aus. Aber die Referentinnen des Schulministeriums schrieben eifrig mit und versicherten, dass die Vorschläge nicht in der Schublade landen. Und der nur zu Beginn anwesende Staatssekretär Jindřich Fryč lud den Präsident der Landesversammlung Martin Dzingel ein, um sich die Wünsche für ein besseres Minderheitsschulwesen persönlich anzuhören. Insofern sendete die Konferenz ein ermutigendes Zeichen. 

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