Ein Goethe-Sockel in Prag sorgte für Aufsehen, so dass er beseitigt werden musste. Jetzt kehrte er nach Karlsbad zurück.

Detail des berüchtigten Goethe-Sockels / Foto: Tomáš Moravec/Goethe-Institut Prag

Die Rückkehr war vergleichsweise unspektakulär. Ende August informierte das Goethe-Institut in Prag in einer Pressemitteilung, dass der frühere Sockel des Goethe-Denkmals in Karlsbad (Karlovy Vary) endgültig in der Kurstadt aufgestellt wird. Seit Mitte September steht der mächtige Marmor-Stein nun am Goethe-Weg, direkt neben der Büste zu Ehren des Dichters. Der historische Sockel und die Büste aus dem Jahr 1883 bleiben damit trotz der räumlichen Nähe unvereint. Keine Büste ohne Sockel, möchte man meinen. In Karlsbad ist das jedoch anders. Beide haben längst ihr eigene Geschichte.

Wenn es nach Berthold Franke gegangen wäre, stünde der Sockel nun vor dem Goethe-Institut in Prag am Masaryk-Ufer. Nahezu seine gesamte Amtszeit als Leiter des Instituts verbrachte Franke mit dem Sockel, den er vor allem wegen der unvorhergesehenen Wendungen der letzten Jahre inzwischen „ein Artefakt der deutsch-tschechischen Geschichte“ nennt.

Die wäre nicht der Rede wert, hätte nicht vor ziemlich genau vier Jahren der Baggerfahrer Marek Kokš den Sockel aus einem ehemaligen Bombentrichter geholt. Da wo Kokš nun für einen Parkplatz baggerte, war der Sockel vor über 70 Jahren als schlichtes Material zum Auffüllen hineingeraten. Zuvor hatte die Stadt das Denkmal, das einst vor dem Grand Hotel Pupp aufgestellt worden war, im Zuge der Entnazifizierung aus der Öffentlichkeit entfernt. Zwar wurde Goethe seine Bedeutung für die Welt und Karlsbad im Speziellen nicht abgesprochen. Als Vertreter des Deutschtums war er aber nicht tragbar. Als die deutschsprachige Bevölkerung 1945 aus Karlsbad vertrieben wurde, verschwand Goethe zunächst hinter Brettern. Im Januar 1946 wurde eine Kommission eingesetzt, die über das weitere Schicksal des Denkmals entscheiden sollte, die in dessen Beseitigung im April des gleichen Jahres gipfelte. Die Büste landete immerhin im Museumsdepot.

Damit endete vorerst eine einzigartige Beziehung. 13 Mal besuchte Goethe die Kurstadt und zählte sie einst neben Weimar und Rom zu den Städten, in denen er sich vorstellen könnte, zu wohnen. 51 Jahre nach seinem Tod würdigten die Karlsbader Goethe mit dem von dem Stuttgarter Künstler Adolf von Donndorf geschaffenen Denkmal. Zwar holten die Stadtväter Goethes Büste 1952 wieder aus dem Museum. Aber an den prominenten Platz vor dem Pupp-Hotel durfte er nicht zurückkehren, sondern steht seitdem einige Meter weiter am heute nach ihm benannten Goethe-Weg, allerdings auf einem anderen, deutlich weniger wertvollen Sockel.

Goethe-Denkmal vor 1945 / Foto: Archiv der Stadt Karlovy Vary

Dass der Original-Sockel überhaupt existiert erfuhr die Welt und damit auch Berthold Franke vom Goethe-Museum erst von Karel Meloun. Dieser Bildhauer ist mit dem bereits erwähnten Baggerführer Marek Kokš gut bekannt, so dass ihm der gute Stein überlassen wurde. Erst bei näherem Besehen entdeckte Meloun den Namenszug von Goethe. Und einige Recherchen später war er sich sicher, dass es sich um den verloren geglaubten Sockel handelt müsste. Er überließ den Sockel deshalb der Stadt, die aber auch nicht recht wusste, was damit anfangen. Und an dieser Stelle schaltete sich das Goethe-Institut ein. Wenn Karlsbad für den Sockel keine Verwendung findet, könne er auch vor dem Institut stehen. „Wir stellten uns den Sockel als Memento der deutsch-tschechischen Beziehungen vor“, sagt Franke. Gesagt getan, die Kurstadt borgte den Sockel aus und der Künstler Jiri David bekam des Auftrag, ein Kunstwerk für den Sockel zu schaffen. Das Ergebnis in Form einer Schubkarre voll einbetonierter Goethe-Relikte wurde am 2. Oktober 2015 in Anwesenheit von Oberbürgermeisterin Adriana Krnacova eingeweiht.

Doch kurz darauf kam die kalte Dusche. Das Stadtbezirksamt Prag 1 widerrief seine Genehmigung und verlangte die Beseitigung des Denkmals aus Sicherheitsgründen. Zwei Jahre verhandelte daraufhin das Goethe-Institut erfolglos um eine dauerhafte Installation vor dem Gebäude. Zwischenzeitlich drohte sogar eine Vertragsstrafe, da es das Institut versäumt hatte, Karlovy Vary um eine Verlängerung der Leihe zu bitten. Dieser Vorgang war ziemlich grotesk, da die Kurstadt selbst keine Pläne mit dem Sockel hatte.

Im September vor einem Jahr dann stand endgültig fest, dass der Goethe-Sockel vor dem Goethe-Institut nichts zu suchen hat. „Für uns war das eine riesige Enttäuschung“, erinnert sich Institutssprecher Tomas Moravec, der mit der Universität in Brno bereits eine virtuelle Ausstellung zum Sockel geplant hatte. Die städtischen Ämter fuhren schwere Geschütze auf und argumentierten mit der Ahistorität des Sockels, welche den UNESCO-Welterbestatus von Prag gefährdet. „Gerade diese Begründung ließ uns sprachlos zurück“, so Moravec weiter.

Die ambitionierten Pläne für eine prominente Ausstellung in Prag waren damit geplatzt und der Sockel ging im Dezember 2017 wieder zurück nach Karlovy Vary. Noch einmal mehrere Monate dauerte es, bis das Institut eine würdige Präsentation des Sockels erwirkte.

„Dieser Sockel ist der Grenzstein, wo die Vergangenheit endet und die Zukunft beginnt“, fand Institutsdirektor Franke am Ende bei der Enthüllung des Sockels in Karlovy Vary versöhnliche Worte. „Jetzt, fast ein Jahr nach dem endgültigen Aus unserer Pläne, sind wir doch froh, dass wenigstens Karlovy Vary einer Präsentation zugestimmt hat“, so Moravec. Zwar geht es nur um den reinen Sockel. Aber die direkte Nachbarschaft zur Goethe-Büste ist immer noch aussagekräftig genug. Die Stadt selbst hat zwar durchaus weitergehende Pläne mit dem Sockel. So soll er im Verbund mit weiteren vernichteten deutschen Denkmälern präsentiert werden. Die Verwirklichung hängt vom Ausgang der Kommunalwahlen am kommenden Wochenende ab. „Das Goethe-Institut ist weiterhin bereit, zu helfen“, unterstreicht Moravec. Einstweilen bleibt es bei einer touristischen

 
 

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