Szene aus Schillers Drama „Die Räuber“ (1782). Foto: Friedrich Schiller Archiv Weimar

In den Herbstmonaten geht man gerne in den Wald zum Pilzesuchen. Spaziergänge im Wald können uns aber auch an viele schöne Sagen erinnern, zum Beispiel an Räubergeschichten, die auch im Kuhländchen verbreitet sind.

Die Räuber Ondrasch und Jurasch in Neuhübl (Nová Horka)

In der Zeit, als Graf Josef Karl von Vetter das Gut Neuhübl besaß, ereignete sich daselbst folgender merkwürdiger Vorfall: Die zwei gefürchteten Räuber Ondrasch und Jurasch ließen sich einiges Tages bei ihm zu einem Besuche anmelden, aber ihm gleichzeitig auch die Drohung überbringen, der Graf werde es bitter bereuen, wenn sie ihn an dem von ihnen bezeichneten Orte nicht träfen.

Der Graf, ein unerschrockener Mann, erwartete die berüchtigten Spießgesellen, die sich in der sechsten Abendstunde bei ihm einfanden und ihn sogleich aufforderten, mit ihnen in die Schießstätte zu gehen. Auf dem Wege dahin sagten sie, sie wüssten, welch ein guter Schütze er sei: Darum müsse er einen jeden von ihnen als Probeschuss das „Zielerplatzel“ aus der Hand schießen. Beide Räuber hielten nacheinander das Platzel und der Graf verfehlte es keinmal. Darauf erklärten sie, sie hätten nun den Beweis für die Schärfe seines Auges und die Sicherheit seiner Hand, und da er ein Anfänger in seiner Wirtschaft sei, verlangen sie nichts weiter von ihm als einige Erfrischungen. Nachdem ihnen diese gereicht worden waren, zogen sie weiter fort.

Das Räuberhäuschen bei Neutitschein (Nový Jičín)

In einem der letzten Gärten, die links an der von Neutitschein nach Blauendorf (Bludovice) führenden Straße liegen, stand vor einigen Jahren noch ein einsames Holzhäuschen, welches allgemein „Räuberhäusel“ genannt wurde. Wie es zu dieser sonderbaren Bezeichnung kam, werdet ihr fragen. Die Sage weiß darauf zu antworten. Bald nach dem Dreißigjährigen Kriege machte ein spanischer Strolch, Don Araz geheißen, den Domorazer Wald und seine Umgebung unsicher. Damals wohnte im Räuberhäuschen ein junger Mann, namens Bartosch, der sich durch sein einschmeichelndes Benehmen allenthalben beliebt zu machen verstand. So fand ein Erbrichter von Blauendorf solchen Gefallen an ihm, dass er ihm versprach, die eigene Tochter zur Frau zu geben.

Dem Mädchen aber war der Mann unleidlich und als gegen ihren Willen der Tag der Hochzeit festgesetzt wurde, floh sie aus dem elterlichen Hause: Sie wandte sich nach Meseritsch (Meziříčí). Als sie durch den Domorazer Wald eilte, vernahm sie plötzlich Männerstimmen. Sie fürchtete, man habe ihre Flucht bemerkt und verfolge sie. Um nicht entdeckt zu werden, verließ sie den Weg und schritt ohne Pfad weiter. Dabei verlor sie die Richtung und anstatt dem Walde zu entkommen, geriet sie immer tiefer hinein. Die Nacht brach an und noch immer irrte die Ärmste im Tann umher. Schon dachte sie daran, in ein Dickicht zu kriechen und darin sich niederzulegen, als Hilferufe an ihr Ohr schlugen. Sie horchte: Geschrei einer Frau und – war das nicht Bartosch? Doch nein, es sind fremde Männer, es sind Räuber! Sie verbarg sich hinter einem Busch, der neben einem Baume emporstrebte. Fackelglanz schimmerte zwischen den Stämmen.

Wieder der Hilferuf der Frau, dann die raue Stimme des ihr verhassten Bartosch: „Ihr Gewinsel verrät uns: Stoß sie nieder!“ Und nun ein entsetzlicher Schrei, wüstes Reden und Lachen, darauf Bartoschs Stimme: „Werft sie ins Gebüsch hinüber!“ Die Flüchtige fühlte etwas in ihren Schoß fallen, sie wollte danach greifen, doch die Sinne schwanden ihr und ohnmächtig sank sie nieder. Der dämmernde Tag rief des Mädchens Bewusstsein zurück. Sich erhebend, gewahrte sie im Faltenwürfe ihres Gewandes einen Finger, an welchem ein goldener Ring mit einem leuchtenden Steine sich befand. Sie lauschte: Tiefe Stille herrschte rings umher. Nachdem sie den unheimlichen Fund zu sich gesteckt, eilte sie auf einen Waldsteig und auf ihm dahinjagend in das ihr wohlbekannte Dorf Hostaschowitz (Hostašovice). Nun war sie gerettet.

In Neutitschein galt ihr erster Gang der Kirche, um Gott dafür zu danken, dass er sie so treu gehütet. Darauf begab sie sich zum Bürgermeister, teilte ihm ihr Erlebnis mit und übergab ihm den Finger samt dem Ringe. „Lass niemanden merken“, sprach der würdige Mann, „was du weißt: Das letzte Stündlein des ehrenwerten Herrn Bartosch oder wie er wohl richtig heißen mag, des Herrn Araz, wird bald schlagen.“ Er sagte ihr noch, wie er des Räubers habhaft zu werden gedenke, und bat sie, ihm dabei zu helfen. Dann entließ er sie.

Einige Tage später sollte die Hochzeit der Tochter des Erbrichters von Blauendorf mit dem reichen Bartosch stattfinden. Ein langer Zug von Wagen führte die Hochzeitsgäste in die Stadt, deren Tore und Pforten hierauf sorgsam geschlossen wurden: Das Gleiche geschah mit den Toren des Friedhofes, der sich damals um die Kirche ausbreitete, nachdem die Hochzeitsgäste ihn betreten hatten. Nun drangen bewaffnete Männer aus dem Gotteshause und bemächtigten sich des Räubers und seiner Spießgesellen, welche sich dem Zuge angeschlossen hatten. Sie alle wurden gefesselt, in den Kerker geworfen und endeten auf dem Hochgerichte.

Im Räuberhäuschen wurden reiche Schätze aufgefunden, welche Bartosch daselbst verborgen hatte. Die Unglückliche, von deren Ermordung die Erbrichtertochter Zeugin war, soll, wie einige behaupteten, die Gräfin Praschma, nach anderen eine reiche Jüdin gewesen sein.

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