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LandesBlog: Amazonien brennt, Prag protestiert

Bürgersteigprotest - Foto:Isabelle Wolf

Prag ist wegen seiner Proteste in den vergangenen Monaten schon häufiger in den internationalen Medien gewesen. Demonstrieren, das können die Tschechen gut, und zwar nicht nur für das eigene Land, wie ich vor Kurzem erleben durfte.

 

Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Seit Wochen brennt es in Amazonasgebiet, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet der Welt, das wegen seiner enormen Größe auch als „grüne Lunge“ der Erde bezeichnet wird. Eine riesige Rauchwolke hängt über dem Gebiet und macht das verheerende Ausmaß der Brände klar: Hektarweise Regenwald sind den Flammen zum Opfer gefallen, unzählige Tier- und Pflanzenarten mit ihm. Auch einige indigene Völker hat es getroffen.

Bez lesů není život - Ohne Wälder kein Leben - Foto: Isabelle WolfDas passt vielen Menschen rund um den Globus nicht – mich inbegriffen. Am 27. August habe ich deshalb beschlossen, demonstrieren zu gehen. Deshalb versammelten sich rund 200 Menschen noch am selben Tag um 16.30 Uhr vor der brasilianischen Botschaft in Prag, ich gehörte dazu. Die Demonstration begann als Bürgersteigprotest. Die Panská-Straße, in der die Botschaft angesiedelt ist, wurde nämlich nicht abgesperrt. Nach und nach aber setzten sich einige meiner Mitdemonstranten auf die Straße. Für Autos gab es nun kein Vorbeikommen mehr, dafür schlossen sich aber einige Fußgänger spontan der Demo an. Ein Kreis bildete sich, in dessen Mitte Plakate mit Aufschriften wie „SOS Amazônia“ oder „Burn fascists, not trees“ lagen.

Viele Leute hatten auch noch weitere Plakate vorbereitet, was ich aber wegen meiner spontanen Entscheidung, an der Demo teilzunehmen, nicht mehr geschafft hatte. Ein bisschen ärgerte mich das, aber wie man so schön sagt – dabei sein ist alles, und so hatte ich wenigstens die Hände zum Klatschen frei. Gemeinsam rief die Masse Sprüche wie „Der Amazonas muss bleiben, Bolsonaro muss gehen“ auf Englisch, Tschechisch und Portugiesisch. Trommelschläge, Pfeifen und Klatschen erfüllten die Straße – Lärm für den Regenwald und gegen den brasilianischen Präsidenten und seine Politik. Wieder einmal war ich begeistert von der tschechischen Protestkultur, die ich bereits im Juli auf der Letná-Ebene kennengelernt hatte. Nur, dass diese Tschechen nun nicht für die eigene Demokratie, sondern für den Erhalt des Regenwalds demonstrierten.

Während Angestellte der gegenüberliegenden argentinischen Botschaft in der Panská-Straße die Demonstration verfolgten und mit ihren Handys filmten, blieben die Fenster der brasilianischen Botschaft an diesem Nachmittag geschlossen. Scheinbar waren alle schon nach Hause gegangen. Dafür hatte einer der Initiatoren lediglich die Worte „Sleep well!“ übrig. Das schleuderte er der Botschaft am Ende der Aktion entgegen und fügte noch ein leises, nur für die Demonstranten hörbares „…you assholes“ hinzu.

„Bez lesů není život“ – Ohne Wälder gibt es kein Leben. Klingt logisch, nicht wahr? Wir haben schließlich alle im Biologieunterricht gelernt, dass Bäume Kohlendioxid aufnehmen, speichern und dafür Sauerstoff abgeben – Sauerstoff, den Mensch und Tier zum Leben brauchen. Der Amazonas gilt aber auch deswegen als wichtigstes Waldgebiet der Erde, weil er große Mengen an Wasserdampf abgibt und damit die Atmosphäre kühlt. Das ist in einer Zeit, in der sich die Erdatmosphäre durch Treibhausgase wie Kohlendioxid oder auch Methan aufheizt, ganz besonders wichtig.

Umso erschreckender ist es, dass die Feuer zum Teil bewusst gelegt wurden, um neue Anbauflächen – meistDen Amazonas gilt es auch in Europa zu verteidigen - Foto: Isabelle Wolf für Soja- und Zuckerrohrplantagen oder Weideflächen, die dann unter anderem auch für die europäische Fleischproduktion genutzt werden – zu gewinnen. Die Gier des Menschen greift um sich und mit ihr geht der Wald in Flammen auf. Nur interessierte das hier lange kaum jemanden, obwohl auch wir Europäer aufgrund unseres Konsumverhaltens indirekt mit dafür verantwortlich sind. Auch dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro geht es leider nicht um die Gesundheit des Regenwaldes, sondern vielmehr um den Profit, der sich aus diesem schlagen lässt. Seit Beginn seiner Amtszeit haben der Wald und mit ihm auch die unzähligen Tier- und Pflanzenarten, die er birgt, schlechte Karten.

Mindestens genauso schlimm ist Bolsonaros Verhalten gegenüber den indigenen Völkern, deren Heimat unter anderem der Amazonasregenwald ist. Rassistische, homophobe und sexistische Äußerungen gehören ebenfalls zu seinen Auftritten in der Öffentlichkeit wie im Internet und eine zeitnahe Reaktion auf die Brände blieb aus. Internationale Hilfe von den G7-Staaten lehnte Bolsonaro bis zum Zeitpunkt der Demonstration ab. Jetzt ist die Frage: Wie schlimm muss die Situation denn noch werden, bis endlich ordentlich angepackt wird? Ist es denn nicht Symbol genug, wenn Menschen in Tschechien und in vielen weiteren Ländern für einen Regenwald am anderen Ende der Welt demonstrieren?

Die Veranstaltung selbst ließ uns alle mit schmerzenden Händen und heiseren Stimmen zurück. Sie endete mit den Worten: „Macht’s gut und hebt die Plakate für das nächste Mal auf.“ Ich hoffe sehr, dass es kein nächstes Mal geben muss.

Ahoj und bis bald.


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